3 - „Stärker individualisierte Individuen“: Eine sozialphilosophische Typenbetrachtung des Aussteigers [ID:7014]
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Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.

Ich möchte zuerst Hallo sagen und als zweites ganz herzlichen Dank für die nette Einführung und vielen herzlichen Dank für die Einladung. Es ist tatsächlich so, dass dieses Thema eines ist, das mich schon länger beschäftigt und ich freue mich dieses Thema heute hier mal wieder aus dem Koffer holen zu dürfen, da es durch die Dissertation natürlich ein bisschen in die Ecke gedrängt wurde in den letzten Jahren.

Worum es erstmal geht ist, dass wir es hier beim Aussteiger mit etwas zu tun haben, was meines Erachtens nach Bestimmung braucht.

Denn wir können ja einfach mal ganz grundsätzlich anfangen. Ich würde Sie mal bitten, mal ganz kurz die Augen zu schließen und dann an den Begriff Aussteiger zu denken, was Ihnen da für Bilder im Kopf vorkommen.

Und wenn Sie die Augen wieder aufmachen, wäre es total nett, wenn Sie mir sagen würden, was Sie gesehen haben. Wenn Sie an Aussteiger denken, was kommt Ihnen in den Sinn? Bitte.

Eine einsame Waldhütte.

Also ich habe noch zwei völlig unterschiedliche

Ein Markentourismo in Platinum betreut. Interessant, der Obdachlose und der Manager, der seine gebetsmühlenartige Arbeit verlässt. Haben Sie noch was gesehen, was Sie teilen möchten?

Irkos, Dreadlocks, wunderbar. Wir versuchen das mal zu verifizieren, ob Sie alle schon von Google Bilder geflutet sind, denn das ist, was Google meint.

Sie sehen jetzt hier nicht wahnsinnig viel. Ich beschreibe es mal so ein bisschen. Sie haben hier so Gestalten sitzen, die sind berthig, die haben Dreadlocks und die haben Hüte auf und sie sehen Weiten, sie sehen Berge und Seen.

Vielleicht auch irgendwo eine einsame Waldhütte. Und das hier ist der erste Hit. Dreadlocks. Da haben wir es doch eigentlich. Das ist so ein Typ, der sitzt da draußen in so einem Naturszenario, raucht seine selbstgedrehte Zigarette, Dreadlocks berthig, hat eben so eine ausgebeute Korthose an, sehr sehr schön.

Und diesen Strickpullover hinten sehen Sie links diesen Verschlag mit den Gartenutensilien, mit denen er sich dann wahrscheinlich jetzt nach seinem kleinen Frühstück mit dem Kaffee und der Milch, die wir hier vorne vielleicht noch in dieser Milchkanne sehen können, nachdem er ein paar Blümchen, die hinter ihm sitzen, gepflückt hat, betätigen wird.

Es geht weiter mit dem, was Google uns vorschlägt im Sinne der Reise. Aussteiger sind irgendwie die, die sich mit einem Rucksack in die Weiten der Welt begeben, die an Stränden rumrennen und einfach ihr normales Leben hinter sich lassen, zumindest für eine Zeit offenbar.

Dann spuckt Google folgendes aus. Da sitzt so jemand, der hat ganz viele Brote um sich herum und dann ist da so eine andere Gruppe, das scheint irgendwie was Gemeinschaftliches zu sein, die machen vielleicht irgendwie traditionelle Backwaren, die sie eben vielleicht für eine autarke Lebensweise sich herstellen.

Dann finden wir jemanden, der in so einem Bauwagen lebt, hat dann wenig Platz und braucht nicht viele Dinge, hat sein Bett da reingebaut, hat so ein bisschen, auch so von den Mustern her ein leicht indisches Flair, das wird auch oft damit assoziiert.

Wir haben keine Ahnung, was das oben links ist, jemanden, der neben so einer Maschine mit einem Pieces-Zeichen in so einer Haube sitzt und vielleicht gedanklich sich aussteigen lässt, wer weiß es.

Wir haben unten diesen älteren Herrn, der mit seinem Hund und diesem selbstgebauten Fahrrad, auf dem allerlei Dinge sind, durch die Lande zieht.

Sie kennen diesen jungen Mann wahrscheinlich aus dem ikonischen Film Into the Wild von 2008, ist der, glaube ich, Alexander McAndless, nach einer wahren Geschichte von jemandem, der aussteigt und in die Wildnis Alaskas geht, um sich dort in einem Bus einzurichten.

Und sie haben allerlei weitere Dinge. Sie sehen da oben jemanden mit langen Haaren, der politische Parolen selbst auf seinem Pullover stehen hat.

Sie sehen unten rechts jemanden, der als Aussteiger bezeichnet wird, der mit dem Fahrrad durch Amerika fährt und kein Zuhause mehr hat, sondern ständig unterwegs ist. Und sie sehen, Hippies bieten nichts.

All diese Dinge assoziieren wir mit Aussteigern. Ganz grundsätzlich haben wir es also mit Reisen, mit Gesundheit, also Essen und Sport. So können wir das vielleicht klassifizieren zu tun.

Wir haben so ein bisschen andere Raumkonzepte auch in dem Sinne, als dass der Raum aufgegeben wird oder anders gestaltet wird. Wir haben Natur als ein Faktor, der stark rezipiert wird.

Also wir haben so eine Antikulturbewegung, obwohl die Landwirtschaft beispielsweise eine Rolle spielt. Wir haben eine gewisse Coolness und einen gewissen Charme auch, der diese Aussteiger umspült.

Aber andererseits auch sie irgendwie, verstehen wir sie auch irgendwie als ranzig. Also das Gefühl, dass sie irgendwie, die sehen so ein bisschen irgendwie aus, als wären sie vielleicht obdachlose tatsächlich.

Und wir haben einen generellen Versuch des Andersseins. Also wir haben optisch, wir haben diese langen Haare, räumlich, inhaltlich, Fitness. All diese Dinge sind irgendwie der Versuch einer Abgrenzung.

Und interessanterweise übrigens, falls Ihnen das aufgefallen ist, haben wir es mit einem sehr männlich dominierten Konzept zu tun. Fast alle diese Bilder sind Männer.

Versuchen wir mal, die Erkenntnisse aus den Bildern, außer den eben Beschriebenen, in einen anderen Kontext zu fassen.

Erstmal würde ich sagen, Aussteiger, wie wir es hier gesehen haben, scheint irgendwie etwas ein bisschen unklares zu sein. Das ist hier vage.

Was das eigentlich genau sein sollte, es gibt verschiedene Assoziationen und verschiedene Vorstellungen. Und nicht nur Ihre Bilder in den Köpfen machen das deutlich, sondern auch Google hat uns genau das bestätigt auf einer größeren Skala.

Das zweite ist, dass wir es hier scheinbar mit einem viel genutzten und bekannten und auch modischen Begriff zu tun haben.

Ich weiß nicht, ob Sie das wissen, da komme ich nachher nochmal kurz drauf zu sprechen. Der Begriff ist ziemlich jung.

Es gibt ihn in dieser Art und Weise, wie wir ihn benutzen. Und ich halte die für unklar, deswegen machen wir heute ein bisschen klärende Arbeit seit ungefähr den 70er Jahren.

Darum kamen auch die Hippies und die Beatniks beispielsweise bei der Googlesuche auf.

In diesem Zusammenhang entsteht Aussteiger, interessanterweise übrigens auch in der DDR.

Dort habe ich den ersten Nachweis finden können in einem literarischen Text.

Dann haben wir es damit zu tun, dass es natürlich meist Uneinheitlichkeit gibt, dass wir individuelle Attribute und Verschiedenheit des genereller Anders sein, bei diesen Aussteigern zu finden scheinen.

Das ist, so würde ich erstmal als erste Diagnose stehen lassen wollen, das Konstitutiv des Ausstiegs.

Damit können wir erstmal arbeiten. Was nun ist also der Ausstieg? Was sind Aussteiger und Aussteigerinnen?

Vielleicht können wir von diesen Uneinheitlichkeiten ausgehen, versuchen Einheitlichkeitskriterien zu finden, auch wenn es erstmal paradox klingt.

Das wird nachher hoffentlich deutlicher, wie wir das machen können.

Die uns dann ermöglichen, dass wir sinnvoller über Aussteiger sprechen können und dass wir vielleicht etwas genauer fassen können, was Aussteiger sein sollen.

Der erste Ausgangspunkt, den ich hier sehe, ist das Verhältnis von Gesellschaft und Individuum.

Denn wir haben festgestellt, dass es irgendwie so etwas wie eine Abgrenzungsbewegung, sowas wie das Bedürfnis eines Andersseins, die Möglichkeit eines Andersseins gibt.

Und das Anderssein richtet sich immer gegen etwas, nämlich den Kontext, in dem sich die dann to-be-Aussteiger befinden, also die Gesellschaft.

Machen wir also eine erste Diagnose.

Der Ausstieg scheint eine individuelle Reaktion eines sogenannten Aussteigers auf etwas zu sein.

Wie er reagiert, bleibt uneinheitlich. Einen eindeutigen Typus des Aussteigers scheint es nicht zu geben. Warum?

Vielleicht weil es gerade das ist, was die Gesellschaft will. Die Vereinheitlichung eines Komplexes, der so schwerfassbar sein muss, um sich selbstgerecht zu werden.

Das ist die These, mit der wir beginnen können an dieser Stelle.

Wie ich aber schon gesagt habe, um das noch genauer zu fassen, können wir uns vielleicht über das Verhältnis Individuum und Gesellschaft,

Presenters

Dr. Alexander Fischer Dr. Alexander Fischer

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

01:36:57 Min

Aufnahmedatum

2016-11-22

Hochgeladen am

2016-11-25 17:47:03

Sprache

de-DE

Tags

Definition Alternativwelt Außenseiter Literarischer Umgang
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